Starkes Interesse an PV-Planung

Volles Haus im Schul- und Rathaus Aichelau: Knapp 70 Teilnehmer nutzten die Möglichkeit, sich über ein geplantes Gemeinschaftsprojekt in Sachen PV-Freiflächenanlagen zu informieren. Es gibt Befürworter und Gegner.

Der Gemeinderat wurde einen Tag vorher im Rahmen der Gemeinderatssitzung über das Thema informiert und hatte festgelegt, dass vor einer Entscheidung in dieser Sache zunächst die Bürgerversammlung in Aichelau abgewartet werden soll. Bürgermeister Reinhold Teufel machte bei seiner Begrüßung deutlich, dass er nicht davon ausgehe, dass die Menschen in Aichelau klar für oder gegen eine großflächige Nutzung der Markungsfläche für die Stromerzeugung durch PV sein werden. Dem entsprechend werde der Vorschlag, den die Gemeindeverwaltung letztendlich dem Gemeinderat machen werde, irgendwo zwischen den Maximalpositionen null und 280 Hektar liegen.

Jörg Dürr-Pucher, der schon mehrfach in Sachen Erneuerbare Energien zu Gast in der Gemeinde war, erläuterte zusammen mit Benjamin Boy für den Projektentwickler WPD das geplante Projekt. Hintergrund ist, dass im Gemeindegebiet und speziell auch in Aichelau schon mehrere kleinere Projekte geplant sind, denen es aber grundsätzlich an einem mangelt: Der Möglichkeit, den erzeugten Strom ins Versorgungsnetz einzuspeisen.

Nachdem das Ortsnetz hierfür zu schwach ausgebaut ist, muss die Ableitung grundsätzlich an eine der 110 kV-Leitungen in der Region erfolgen – im Gespräch wären hier dann die Bereiche Trochtelfingen-Haid, Gomadingen oder Riedlingen-Möhringen mit jeweils gut 10 km Trassenlänge. Eine Anbindung an die vergleichsweise nahe liegende 380 kV-Leitung in Hayingen käme dann in Betracht, wenn noch sehr viel mehr Leistung abzuführen wäre. Angesichts einer Vielzahl projektierter Windenergieanlagen in der Region eine durchaus denkbare Option. Hierfür müsste dann aber im Bereich der 380 kV-Leitung ein Umspannwerk gebaut werden, was erfahrungsgemäß einen sehr großen zeitlichen Vorlauf hat.

Ausgehend von einem Einspeisepunkt im Bereich Möhringen wurde deshalb vom Projektentwickler WPD in Zusammenarbeit mit örtlichen Akteuren geprüft, inwieweit durch eine Zusammenfassung von Projekten im Trassenbereich und zusätzliche Flächen so viel Erzeugungskapazität geschaffen werden kann, dass sich eine solche Leitungstrasse rentiert.

Im Rahmen der Gemeinderatssitzung wurde ein aktualisiertes Luftbild von Aichelau vorgestellt, in dem alle Flächen, deren Eigentümer eine grundsätzliche Verhandlungsbereitschaft signalisiert haben, mit Nummern dargestellt wurden. Nach überschlägigen Ermittlungen der Gemeindeverwaltung wären dies rund 280 Hektar, mithin rund 22% der Gemarkungsfläche und rund 36% der Feld- und Wiesenflächen.

Im Unterschied zur Windenergie, die bauplanungsrechtlich privilegiert ist, wird für den Bau von PV-Freiflächenanlagen im Außenbereich ein Bebauungsplan benötigt, so dass es letztlich eine Entscheidung des Gemeinderats ist, ob und in welcher Ausdehnung Anlagen ermöglicht werden. Bereits in der Sitzung des Gemeinderats hatte Bürgermeister Reinhold Teufel deutlich gemacht, dass eine vollumfängliche Berücksichtigung der potenziellen Flächen unverhältnismäßig wäre.

Was spricht für und was spricht gegen solche Anlagen?

Unstrittig dürfte sein, dass die Energieerzeugung auf neue Beine gestellt werden muss. Und hierbei spielen die erneuerbaren Energien eine inzwischen dominierende Rolle, da sie von den Erzeugungspreisen her deutlich günstiger sind als alle Alternativen. Zwar setzen einige Länder noch auf einen Ausbau der Kernenergie, allerdings liegt der Zubau beispielsweise in Frankreich deutlich unter dem, was an alten Kernkraftwerken wegfällt, so dass die Gesamtkapazität zurückgeht. Und ebenfalls in Frankreich ist es inzwischen so, dass für Atomstrom deutlich höhere Einspeisevergütungen garantiert werden müssen als für Wind und Sonne, sonst würden sich Bau-, Betriebs- und Endlagerkosten nicht mehr rentieren.

Der Anlagenbau selbst erfolgt vergleichswiese flächenschonend: Die Halterungen werden lediglich eingerammt, das notwendige Technikgebäude ist maximal garagengroß. Auch der Betrieb ist sehr naturverträglich, die Flächen werden meist beweidet, es entwickeln sich nicht selten Pflanzenarten, die ansonsten sehr rar sind und vor allem Wildbienen finden hier Nahrungsquellen.

Der Nachteil liegt in der schieren Größe der benötigten Flächen. Großflächige Anlagen werden von vielen Menschen als optisch störend empfunden und die vormals landwirtschaftlich genutzten Flächen stehen der Landwirtschaft zumindest sehr weitgehend nicht mehr zur Verfügung. Schon jetzt ein nicht unerheblicher Teil dieser Flächen über Biogasanlagen zur Energieerzeugung genutzt und steht der Nahrungsmittelerzeugung nicht mehr zur Verfügung. Allerdings wäre der Netto-Energieertrag pro Hektar bei PV deutlich höher als bei Biomasse.

WPD rechnet mit einem Energieertrag von 1, 1 Millionen Kilowattstunden pro Hektar und Jahr. Profitieren würde neben den Verpächtern, die ihre Fläche für einen deutlich über den üblichen Pachtpreisen liegenden Satz verpachten können, auch die Gemeinde: Über die Kommunalabgabe in Höhe von 0,2 Cent pro kWh pro Jahr würden ca. 2.200 Euro pro Jahr/ha in die Gemeindekasse fließen. “Wir machen da kein Geheimnis daraus – wir sind dringend auf solche Einnahmemöglichkeiten angewiesen, um die wachsenden Aufgaben zu finanzieren” machte Bürgermeister Reinhold Teufel deutlich. “Alleine die neu eröffnete Kinderkrippe verursacht bei einem Kostendeckungsrad der Elternbeiträge von unter 20% einen Abmangel von mehr als 200.000 € pro Jahr. Wir können das über eine höhere Grundsteuer einfangen – oder über zusätzliche Einnahmen beispielsweise aus diesem Bereich!”.

Wenn die Anlagen dereinst einmal abgeschrieben sind, dürften auch spürbare Gewerbesteuereinnahmen an die Gemeinde fließen, von denen – dies machte der Bürgermeister deutlich – letztlich nur etwa ein Viertel in der Gemeinde bleibt. Der Rest geht über Umlagen an den Landkreis und ans Land.

Wie könnte der Zeitplan aussehen?

Wenn alles, wirklich aber auch alles glatt läuft, könnten solche Anlagen Anfang 2025 in Betrieb gehen. Realistischerweise wird aber sicherlich mindestens ein Jahr für Verzögerungen im Verfahren einzukalkulieren sein.

In der Diskussion, in der – nicht überraschend – die Gegner wahrnehmbarer waren als die Befürworter, wurden zahlreiche Aspekte hinterfragt. So wurden uneinheitliche Aussagen zum Thema Netzanbindung kritisiert. Auch die Frage, ob eine solche mögliche Netzanbindung für PV-Freiflächenanlagen die Errichtung von Windenergieanlagen erleichtern würde, wurde angesprochen. Jürg Dürr-Pucher wies darauf hin, dass das Thema Windenergie in Aichelau schon seit vielen Jahren diskutiert werde und solche Synergien natürlich nach Möglichkeit genutzt werden. Allerdings werden Windenergieanlagen so oder so kommen.

Bürgermeister Reinhold Teufel erinnerte in seinem Schlusswort an seine einleitenden Worte – der Abend habe gezeigt, dass es tatsächlich keine klare Haltung der Menschen für oder gegen großflächige PV-Freiflächenanlagen gebe. Die Gemeindeverwaltung werde dies in ihrem Vorschlag an den Gemeinderat genauso berücksichtigen wie dies der Gemeinderat bei seiner Entscheidung machen werde.

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