Dass PV-Freiflächenanlagen einen unverzichtbaren Beitrag zur Sicherstellung der Energieversorgung sind, steht nicht in Frage, aber welchen Anteil einer Gemarkung soll hierfür maximal bereitgestellt werden? In Aichelau hat ein Gemeinschaftsprojekt insgesamt rund 280 Hektar zusammengetragen, die hierfür grundsätzlich in Frage kämen. Welcher Umfang tatsächlich realisiert werden kann entscheidet letztlich aber der Gemeinderat – der vor einer Entscheidung das Stimmungsbild der heutigen Bürgerversammlung abwarten will.
Aktuell laufen im Gemeindegebiet drei Bebauungsplanverfahren, mit denen im Außenbereich auf bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen PV-Freiflächenanlagen ermöglicht werden sollen: In Aichelau die Verfahren „Solarpark Kleissenberg und Altensberg (8,43 ha) und „Solarpark Strählensäcker und Rothbuchenäcker“ (13,21 ha) sowie in Aichstetten das Verfahren „Solarpark Enetsfeld“ (6,6 ha). Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die gesellschaftlichen Notwendigkeiten des Ausbaus der erneuerbaren Energien im Allgemeinen und die Chancen und Risiken auf Gemeindeebene im Besonderen wurden im Gemeinderat schon mehrfach angesprochen und diskutiert.
Allen bisher angestoßenen Projekten ist eine Problemstellung gemein: Das örtlich vorhandene Netz ist nicht leistungsfähig genug, um die produzierbaren Strommengen abzuführen. Daran haben auch Ausbaumaßnahmen des Netzbetreibers Netze BW in den letzten Jahren nichts geändert. Aus diesem Grund erhalten die Träger der einzelnen PV-Projekte regelmäßig Einspeisepunkte zugeteilt, die mehrere Kilometer lange Anschlussleitungen erforderlich machen. Dies kann in letzter Konsequenz dazu führen, dass jedes Projekt für sich genommen nicht wirtschaftlich realisierbar ist.
Aus diesem Grund hat sich in Aichelau eine örtliche Initiative gebildet, um die Möglichkeiten einer Kooperation bei der Realisierung solcher Anlagen zu prüfen, insbesondere eine gemeinsame Netzanbindung aller Projekte, die dann wiederum die wirtschaftliche Seite für alle verbessern würde. Diese Absicht wurde frühzeitig der Gemeindeverwaltung mitgeteilt. Der Initiator und Sprecher dieser Initiative, Herr Gerhard Bayer, hat in den letzten Wochen Gespräche mit den allermeisten Eigentümern von Flächen in Aichelau gesprochen, die für eine solche Nutzung in Frage kämen. Diese Vorgehensweise ist aus Sicht der Gemeindeverwaltung grundsätzlich zu begrüßen, da auf diese Weise jeder in Frage kommende Eigentümer auch die Möglichkeit bekommen hat, sein Interesse zu signalisieren. Als Ergebnis dieser Umfrage wurden folgende Flächen, deren Eigentümer ein grundsätzliches Interesse gezeigt haben, erfasst:
Insgesamt handelt es sich um rund 70 Grundstücke mit einer Gesamtfläche von rund 280 Hektar. Die Gemarkung Aichelau umfasst insgesamt 1.291 Hektar, so dass rund 21,6% der Gemarkungsfläche in Betracht gezogen werden.
Der Initiative, die sich zwischenzeitlich auch bereits mit einem Projektentwickler zusammengesetzt hat, wurde mitgeteilt, dass aus Sicht der Gemeindeverwaltung nur dann realistische Chancen auf eine Durchführung eines Flächennutzungs- und Bebauungsplanverfahrens für größere Bereiche auf einer Gemarkung bestehen, wenn hierfür vor Ort auch eine ausreichende Akzeptanz gegeben ist. Aus diesem Grund werden die Bürgerinnen und Bürger aus Aichelau im Rahmen einer Bürgerversammlung am 23.02.2023 über diese Überlegungen informiert. Vorgehsehen ist weiter, vor Ort ein Stimmungsbild zu erheben.
Anzumerken ist, dass in der vom Regionalverband als Orientierungshilfe für die Planung von Freiflächen-Solaranlagen in Pfronstetten nur Teile der vorgesehenen Flächen als frei von Restriktionen ausgewiesen wurden. Die gelb markierten Bereiche sind im Regionalplan als Vorrangflächen für die Landwirtschaft ausgewiesen.
Hier wären nur sogenannte Agri-PV-Anlagen zulässig, die neben der Nutzung für die Energieerzeugung auch noch eine einigermaßen normale landwirtschaftliche Nutzung ermöglichen.
Die Gemeindeverwaltung hatte vorgeschlagen, zunächst auf die Formulierung von Kriterien oder Flächenobergrenzen zu verzichten und die Bürgerversammlung in Aichelau abzuwarten. Sollte sich dort zeigen, dass eine hohe Akzeptanz gegeben ist, wären diese Fragen anders zu beantworten, als wenn eine deutliche Ablehnung gegeben ist. Festzuhalten ist aber, dass der Gemeinderat die abschließende Entscheidung in dieser Frage zu treffen hat. Selbst wenn im Rahmen der Bürgerversammlung eine Abstimmung zur Ermittlung der Stimmungslage durchgeführt wird, ist der Gemeinderat hieran nicht gebunden.
Bei der für die März-Sitzung vorgesehenen abschließenden Entscheidung sind vielmehr weitergehende Aspekte zu berücksichtigen. So sollte ein Grundstückseigentümer im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und zumindest im vertretbaren Umfang selbst entscheiden können, wie er seine Flächen nutzt. Dies umso mehr, als dass hier auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle spielen können und auch dürfen. Und letztlich hat die Gemeinde selbst auch ein gewisses Interesse daran, den Ausbau der erneuerbaren Energien im angemessenen Umfang konstruktiv zu begleiten, da sie und damit auch die Bürgerschaft insgesamt über die Umlage nach § 6 EEG auch direkt und mit langfristig gesicherten Erträgen profitieren kann.
Julian Schreder vom Projektentwickler WPD stellte sein Unternehmen das Projekt im Gemeinderat vor. Er wies darauf hin, dass sich Solar- und Windprojekte grundsätzlich sehr gut kombinieren lassen, da Windenergieanlage im Winterhalbjahr und Solaranlagen im Sommer mehr Strom produzieren. So können Leitungen optimal genutzt werden.
Wesentlich für das Projekt in Aichelau sind die Leitungslängen für eine Netzanbindung. Ein Anschluss an das örtliche Niederspannungsnetz scheidet aus technischen bzw. Kapazitätsgründen aus. Deshalb muss der Anschluss in Richtung Gomadingen, Möhringen oder Haid erfolgen – jeweils mit Trassenlängen von um die 10 km. WPD war ausgehend von einem Projekt auf Markung Hayingen auf Interessenten entlang dieser Trasse zugegangen – so kam letztlich der Kontakt nach Aichelau zustande. Nach aktuellem Stand wurde für über 60 Grundstücke ein grundsätzliches Interesse angemeldet, was insgesamt rund 280 Hektar entsprechen würde. Herr Schreder machte deutlich, dass die Frage, wie viel realisiert werden kann, von technischen Rahmenbedingungen und vor allem auch den Vorgaben des Gemeinderats abhängt.
WPD rechnet pro Hektar Fläche mit einem Ertrag von 1.100 Megawattstunden pro Jahr. Aufgrund einer entsprechenden Regelung im EEG kann die Gemeinde in diesem Fall mit einer Kommunalabgabe von 2.200 € pro Jahr rechnen.
In der Diskussion wurde deutlich, dass eine Realisierung der insgesamt im Raum stehenden Flächen von 280 Hektar vom Gemeinderat sehr kritisch gesehen wird. Insgesamt gibt es in Aichelau rund 755 Hektar Feldfläche, so dass hiervon über ein Drittel betroffen wäre. Das Gremium befürchtet aber auch Streitigkeiten vor Ort, wenn nicht alle Flächen berücksichtigt werden. Bürgermeister Reinhold Teufel sprach sich dafür aus, zunächst die Bürgerversammlung abzuwarten. Sollte die Gemeinde eine Flächenobergrenze formulieren, wäre es die Aufgabe der Projektpartner, eine entsprechende Flächenauswahl vorzunehmen.
Der Gemeinderat nahm von der Planung Kenntnis. Die Entscheidung über die Umsetzung ist für die März-Sitzung vorgesehen.