Über 30 Interessierte aus der Gemeinde waren nach Leibertingen gereist, um sich dort über ein Projekt zu informieren, dass vielleicht bald auch in Pfronstetten realisiert werden soll: Ein von der Gemeinde getragenes Nahwärmenetz.
Der Leibertinger Bürgermeister Armin Reitze ist ein “Überzeugungstäter der ersten Stunde” und hatte schon früh den richtigen Riecher: Schon vor 15 Jahren trieben ihn die ersten Überlegungen in Richtung Nahwärme um. Und obwohl die Gemeinde Leibertingen alles andere als wohlhabend ist, hatten Bürgermeister und Gemeinderat den Mut, mit viel Fremdkapital – zu damals noch vergleichsweise hohen Zinsen – das Projekt Nahwärme anzugehen. Heute arbeitet die GmbH mit einer “schwarzen Null”, und wenn die Anlage nach 20 Jahren abgeschrieben ist, wird die Gemeinde Erträge von ihrer GmbH bekommen, die dann den Handlungsspielraum zu Gunsten der Einwohnerinnen und Einwohner vergrößert.
Mit rund 680 Einwohnern ist Leibertingen durchaus mit Pfronstetten vergleichbar. Dort machten zum Projektstart 90 Haushalte mit, inzwischen sind über 100 Anschlüsse am Netz. Damit konnten gut zwei Drittel der Gebäude im Bereich der Leitungstrasse zum Anschluss bewegt werden – eine sehr gute Quote.
Die Wärmeerzeugung erfolgt zweigleisig: Den kleineren Teil liefert ein privates Biogas-Satelliten-BHKW, den größeren Teil ein von der gemeindeeigenen Bioenergie Leibertingen GmbH gebautes Holzhackschnitzel-Heizwerk.
Ein 100-Kubik-Wärmespeicher ermöglicht eine Pufferung der erzeugten Wärme, so dass Zeitfenster für Wartungsarbeiten gegeben sind und die Anlage gleichmäßig betrieben werden kann.
In den angeschlossenen Gebäuden ist der Platzbedarf für das Thema Heizung äußerst gering: Nur eine an der Wand montierte Übergabestation nimmt Platz in Anspruch.
Mit der Nahwärme kommt in Leibertingen auch die Glasfaser für schnelles Internet mit ins Haus – auch das ist in Pfronstetten so geplant. Im Bild ist die zentrale Verteilstelle im Feuerwehrhaus zu sehen.
Der von der Gemeinde Pfronstetten beauftragte Projektleiter Jörg-Dürr Pucher, der auch schon das Projekt in Leibertingen realisiert hat, erläuterte nicht nur Aufbau und Betrieb eines Nahwärmenetzes, sondern verdeutlichte auch die Zukunftsträchtigkeit: Die notwendige und kaum mehr in Frage gestellte Energiewende besteht eben nicht nur darin, die Stromerzeugung auf neue, möglichst regenerative Beine zu stellen. Vielmehr ist es auch und gerade der Bereich Wärmeerzeugung, der mit entscheidend für das Gelingen sein wird. “Gerade in Verbindung mit einem zentralen Pufferspeicher kann ein solches Wärmenetz mit dazu beitragen, ein großes Problem der regenerativen Stromerzeugung zu lösen: Nämlich die Stromspitzen wenn Sonne und Wind mehr Energie liefern, als benötigt wird”. Dann kann nämlich über Wärmepumpen “überschüssige” Energie in Wärme umgewandelt und so gespeichert werden. Zusammen mit der für Pfronstetten geplanten Solarthermie-Anlage könnte so der Sommerwärmebedarf weitgehend auch ohne den Einsatz von Holz als Energiequelle gedeckt werden.
Klaus Dieter Müller vom Büro Zelsius aus Donaueschingen erläuterte Details zur Netzplanung: “Richtig Spaß” mache ein Nahwärmenetz dann, wenn 75% der Gebäude daran angeschlossen werden können, dass sei die Wärme nahezu konkurrenzlos günstig bezogen werden. Da hörte man dann einige Teilnehmer tief einatmen: 75%? Wie soll das gehen? Müller konnte dieses Dilemma aber auflösen: Die 75% sind ein Idealwert, der auch nur auf die Straßenzüge bezogen wird, in denen auch eine Leitungsverlegung erfolgt. Straßenzüge mit nur wenig Interessenten werden schlicht nicht angefahren, dann spielt die dort niedrige Quote auch keine Rolle.
Am Schluss, das wurde deutlich, wird der Preis entscheidend sein. Hier warben die Fachleute dafür beim Kostenvergleich auch ehrlich zu sich selbst zu sein: Für die Erneuerung einer Öl- oder Holzheizung werden schnell mal 10.000 bis 20.000 € fällig, da wäre auch eine hoch gegriffene Anschlussgebühr von 15.000 € voll konkurrenzfähig. “Der gravierende Unterschied bei der Nahwärme: Während eine eigene Heizung nach 20+30 Jahren wieder zur Erneuerung ansteht, bietet das Nahwärmenetz Investitionssicherheit für 50 bis 60 Jahre, in denen dann nur die bezogene Wärme bezahlt werden muss”, so Jörg Dürr-Pucher.
Bürgermeister Reinhold Teufel machte deutlich, dass Pfronstetten in einer ungleich günstigeren Ausgangslage sei als es Leibertingen damals war: Zum einen sind die Förderungen von Bund und Land bei ausreichendem Interesse in der Bürgerschaft deutlich höher, und zum anderen muss das eingesetzte Kapital nicht teuer verzinst werden, da die Gemeinde eigenes Geld investieren könnte und würde – um so Negativzinsen für liquide Mittel zu umgehen.
Auch für die nicht wenigen Teilnehmern aus den anderen Ortsteilen der Gemeinde Pfronstetten gab es interessante Informationen: So plant Leibertingen aktuell im dritten Ortsteil die Einrichtung eines Nahwärmenetzes, auch dort wird als abschnittsweise die ganze Gemeinde angegangen. Und auch die Idee, angesichts des anstehenden Ausbaus der Kreisstraße zwischen Huldstetten und Geisingen die beiden weniger als einen Kilometer auseinander liegenden Ortsteile gemeinsam oder mit einer zwischen den Ortsteilen liegenden Heizzentrale zu versorgen, hörte sich nicht unrealistisch an, wenn man erfuhr, dass von den Wärmeverlusten her mit gut gedämmten Leitungen solche Entfernungen durchaus wirtschaftlich überbrückbar sind.
“Je mehr mitmachen, umso realistischer und vor allem günstiger wird es für alle” warb Jörg Dürr-Pucher abschließend um Beteiligung. “Sprechen Sie mit Ihren Nachbarn, überzeugen Sie sie, dass ein Nahwärmenetz eine Investition in das eigene Eigentum ist und die Sicherheit bietet, auch im Alter kostengünstig und ohne körperliche Anstrengungen eine warme Stube zu haben”. Bürgermeister Reinhold Teufel wies darauf hin, dass das oft von Älteren gebrachte Argument “das rentiert sich für mich nicht mehr” eigentlich nicht stimmig sei: “Nahwärme und schnelles Internet steigern nicht nur den eigenen Wohnwert, sondern machen eine Immobilie auch fit für die Zukunft. Egal, ob die Kinder oder Enkel das Gebäude später selbst nutzen oder Verkaufen wollen – solche Anschlüsse machen jedes Gebäude wertvoller und attraktiver.”
In einer – so Corona will – weiteren Informationsveranstaltung am 19.10.2020 in der Albhalle soll über das Ergebnis der durchgeführten Umfrage und die weitere Vorgehensweise unterrichtet werden.
Die Zeichen stehen also gut für das Zukunftsdorf Pfronstetten! Ob dieser Weg aber dann auch tatsächlich erfolgreich beschritten wird, das liegt an den Menschen in Pfronstetten selbst!