Mehr geht in Corona-Zeiten nicht: Exakt 100 Besucher waren zur Auftaktveranstaltung in die Albhalle gekommen, um sich über das Projekt „Zukunftsdorf Pfronstetten“ zu informieren.
Schnurgerade aufgereiht und auf Abstand gestellt waren die Stühle in der Albhalle, und schnurgerade in die Zukunft sind drei Themenbereiche ausgerichtet, auf die sich die Gemeinde Pfronstetten besonders konzentrieren möchte: Die lokale Wärmeversorgung, die Digitalisierung und die Stärkung der Nahversorgung.
„Namen sind zwar Schall und Rauch, mit dem Begriff ‚Zukunftsdorf Pfronstetten‘ konnten wir aber doch eine gewisse Aufmerksamkeit erzeugen, dies es sogar in Funk und Fernsehen geschafft hat“ leitete Bürgermeister Reinhold Teufel die Veranstaltung ein. Im jetzt startenden Prozess seien es die drei genannten Bereiche, die für die Zukunft der Gemeinde wichtig sein dürften. „Wir erfinden das Rad dabei nicht neu – Nahwärmenetze und Glasfaserleitungen gibt es schon heute in der Gemeinde – wir wollen das aber flächendeckend ausrollen“. Und weil man die Zukunft eines Dorfes am besten mit denen bespricht, die diese Zukunft miterleben werden, soll das Projekt mit breiter Bürgerbeteiligung durchgeführt werden.
Zum Gelingen der Energiewende gehört zwingen die Wärme, auch wenn hier der Weg genau in die entgegengesetzte Richtung führt wie beim Strom. Ginge es hier darum, von wenigen zentralen und fossil betriebenen Kraftwerken auf kleinere, dezentral und regenerativ betriebene Anlagen überzugehen, macht es bei der Wärmeerzeugung Sinn, die vielen vorhandenen dezentralen Öl- oder Holzheizungen gegen eine größere und deshalb auch effizientere und umweltfreundlichere Anlage einzutauschen.
Die Gemeinde mache sich schon einige Jahre Gedanken, wie sie Wunderbuch-Grundschule, Kindergarten und Albhalle sparsam und umweltfreundlich beheizen kann. Mit der nun anstehenden Anbindung des Kindergartens seien alle drei Gebäude leitungsmäßig auch verbunden. Allein die benötigte Wärmemenge war bisher zu gering, um ein Heizwerk rentabel zu betreiben. „Mit dem seit kurzem gemeindeeigenen Gasthaus Rose kommt nun ein Großabnehmer dazu, mit dem wir die Rentabilitätsgrenze klar überspringen“ macht Reinhold Teufel deutlich, „die relativ kurze Entfernung macht ein kleines Nahwärmenetz auf jeden Fall möglich“. Als dann Anwohner sich erkundigten, ob auch private Anschlüsse möglich wären, war die Idee des Nahwärmenetzes geboren.
Bezüglich der Trägerschaft eines solchen Netzes sieht die Gemeindeverwaltung drei mögliche Varianten: „Entweder baut und betreibt ein gewerblicher Anbieter das Netz – will dann aber auch eine entsprechende Rendite erwirtschaften“, skizziert der Bürgermeister. Oder es bildet sich eine örtliche Genossenschaft – welche dann aber entsprechend engagierte Menschen benötigt, um die nicht zu unterschätzende Verwaltungsarbeit zu übernehmen. Daran und an einer gewissen Mutlosigkeit der Menschen waren schon vielerorts und auch in der Gemeinde entsprechende Ansätze gescheitert. „Wir gehen deshalb den dritten Weg: Die Gemeinde soll das Netz bauen und unterhalten! So war das dereinst beim Stromnetz, das vor einem Jahrhundert von den kommunalen Oberschwäbischen Elektrizitätswerken geschaffen wurde, so ist es noch heute bei den Wasser- und Abwassernetzen und so kann es eben auch beim Thema Wärme sein – die Gemeinde liefert die Infrastruktur, die lebenswichtig ist“.
Ob mit eigenem Kapital oder fremdfinanziert – das Kontrollorgan Gemeinderat soll darüber wachen, dass der Wärmepreis nur so hoch sein wird, wie dies vertretbar und geboten ist. „Unser Ziel ist es, preislich mit einer Ölheizung mithalten zu können“, so Reinhold Teufel. Beim Komfort wäre die Nahwärme ohnehin jeder anderen Wärmeerzeugung überlegen.
Abrahim Dold von der Klimaschutzagentur des Landkreises erläuterte anschließend die Rahmenbedingungen für ein solches Projekt. „Der kompakte Siedlungskörper in Pfronstetten und die aktuell gegebene Fördersituation ist ideal für ein solches Projekt“, so Dold. Innerhalb 500 m Luftlinie liegt ein großer Teil der älteren Bausubstanz, für die erfahrungsgemäß ein Nahwärmeanschluss besonders attraktiv ist. Über das Förderprogramm „Energetische Stadtsanierung“ fördert der Bund bereits den laufenden Planungsprozess, und wenn sich genügend Wärmeabnehmer finden, wird auch der Leitungsbau so gefördert, dass diese Lösung preislich auf jeden Fall attraktiv werden wird.
„Aber es geht nicht nur um Wärmelieferung – unser Fokus liegt auch beim Energiesparen“ ergänzt Dold. Auf Wunsch kommen Experten in jeden Haushalt und beraten unabhängig darüber, was an Wärmeschutz- und Energiesparmaßnahmen sinnvoll ist. Mit Thermografieaufnahmen können beispielsweise Schwachstellen in der Gebäudehülle lokalisiert werden. Ziel sei es, alle Gebäude „enkeltauglich“ zu machen und so auch die Werthaltigkeit zu sichern.
Von besonderer Bedeutung sei die Einbeziehung der Bürgerschaft. Komplett transparent soll das Verfahren laufen, an dessen Anfang auch eine umfassende Bürgerbefragung steht. Die entsprechenden Fragebogen wurden bereits versandt, Abrahim Dold warb dafür, mit einer hohen Rücklaufquote eine gute Datengrundlage zu schaffen. „Dieser erste Schritt ist komplett unverbindlich, niemand verpflichtet sich dazu, dann auch anzuschließen. Aber wir sollten wissen, welche potenzielle Nachfrage es auch langfristig gibt, um die Leitungen passend auslegen zu können“.
Jörg Dürr-Pucher hat mit seiner Firma Clean Energy schon mehrere vergleichbare Projekte betreut und erfolgreich an den Markt gebracht. „Die Klimaschutzagentur berät die Gebäudeeigentümer und wir machen die Projektentwicklung“ bringt er seine Rolle auf den Punkt. Die von der Gemeinde geplante Kombination einer Hackschnitzelheizung mit einer Solarthermieanlage, die neben der Ortslage in Richtung Aichstetten möglich wäre, stelle einen vielversprechenden Ansatz dar. „Im Winter heizen wir mit Holz, und im Sommer kann die benötigte Wärme nahezu vollständig solar erzeugt werden“, so Dürr-Pucher, ganzjährig steht außerdem ein Ölbrenner als Ausfallsicherung und für Spitzenzeiten bereit. Im Gebäude selbst beschränkt sich die notwendige Technik auf zwei Leitungen und einen Wärmetauscher. „Selbst wenn Sie (was Sinn macht) einen zusätzlichen Pufferspeicher einbauen, Sie gewinnen in vielen Fällen wertvollen Platz in Ihrem Keller dazu – Heizraum und Ölkeller fallen weg!“. Auch die Verlegung der Wärmeleitungen in den Straßen sei gängige Technik, durch die gleichzeitige Mitverlegung von Glasfaserleitungen und die nicht selten gegebene Notwendigkeit einer Fahrbahnerneuerung können hier gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Auch Jörg Dürr-Pucher hält das Projekt wirtschaftlich für sinnvoll: „In den letzten 25 Jahren ist das Heizöl um das 3,5fach teurer geworden – und wer glaubt realistisch daran, dass sich an dieser Entwicklung etwas ändern wird?“.
Beim „Schnellen Internet“ sei die Gemeinde schon sehr gut versorgt, wolle aber noch besser werden, leitete Bürgermeister Reinhold Teufel den zweiten Themenblock ein. Schließlich sei absehbar, dass die aktuelle DSL-Versorgung in allen Ortsteilen mit 50-100 Mbit auf Dauer zu wenig sein wird. Nachdem schon heute bei Bauplatzanfragen nach dem m²-Preis die Leistungsstärke des Internetanschlusses die wichtigste Frage sei, plädiert er dafür, die Chance offener Gräben zu nutzen und die vorhandenen Glasfaserleitungen über Hausanschlüsse in jedes Haus zu bringen. Mit der Breitbandversorgung im Landkreis Sigmaringen (BLS), die ihr Geschäftsgebiet auf den südlichen Teil des Landkreises Reutlingen ausgedehnt hat, stünde hierfür auch ein leistungsfähiger Partner an der Seite.
Theresia Aue und Burghard Vogler stellen die BLS uns ihr Angebot vor: 41 Gemeinden aus fünf Landkreisen haben sich in dieser Gesellschaft zusammengeschlossen, um den Internetausbau auch auf dem von den großen Anbietern eher gemiedenen flachen Land voranzubringen. Als Netzbetreiber ist die NetCom mit im Boot, eine Tochter der EnBW. Sobald entsprechende Leerrohre vorhanden sind, werden entsprechende Anschlüsse auch geschaltet. Die physische Verbindung des gemeindeeigenen Backbone-Netzes mit dem BLS-Netz wurde unlängst durch einen Lückenschluss zwischen Geisingen und Gauingen hergestellt. Das Angebot richtet sich nicht nur an die künftigen Kunden des Nahwärmenetzes, sondern an alle Gebäudeeigentümer entlang der Leitungstrasse.
Abschließend erläuterte Bürgermeister Reinhold Teufel die Chancen, die sich die Gemeinde mit dem Erwerb des Gasthauses Rose eröffnet hat. Nachdem die Überlegungen, auf einer gegenüberliegenden Freifläche ein Wohn- und Geschäftshaus zu errichten und darin eine Verkaufsstelle für die Nahversorgung zu schaffen aus immissionsrechtlichen Gründen gescheitert ist, möchte die Gemeinde nun einen Teil der Erdgeschossflächen der Rose hierfür umnutzen. „Im Idealfall gelingt es uns, Betreiber für eine Bäckereiverkaufsstelle zu finden, die parallel auch noch in der ehemaligen Gaststätte ein kleines Café betreiben“ spann Reinhold Teufel die Vision weiter. Erfreulich sei, dass es durchaus Interessenten gebe, die darüber aktiv nachdächten. Die Gästezimmer in den Obergeschossen seine in einem so guten Zustand, dass ein rentabler Betrieb hier durchaus realistisch sei. Sollte dies wider Erwarten nicht gelingen, könnten diese Räumlichkeiten zu Mietwohnraum umgebaut werden. „Entsprechender Bedarf ist gegeben, vor allem junge Menschen, die von zuhause aus- und mit jemandem zusammenziehen möchten, finden bisher in der Gemeinde nur wenig Möglichkeiten“. Aber auch ganz andere Wege wären denkbar: Die Corona-bedingte Home-Office-Welle habe gezeigt, dass nicht in jeder Wohnung ungestörtes Home-Office möglich ist. Sogenannte Co-Working-Spaces, die man für solche Zwecke nutzen könnte, stellen eine weitere Nutzungsoption dar.
In der anschließenden regen Diskussion wurde deutlich, dass die Pfronstetter Gebäudeeigentümerinnen und Gebäudeeigentümer den Zielsetzungen des Gesamtprojekts sehr aufgeschlossen gegenüberstehen. Vorsichtige Bedenken wurden geäußert, dass von einer Holzheizanlage Lärm- und Staubemissionen ausgehen könnten. Tatsächlich ist dies aber bei modernen Anlegen kein Problem. Auch mögliche Zuschüsse für private Investitionen wurden angesprochen.
Nach der bis Mitte Juli laufenden Datenerhebung über versandte Fragebogen bzw. über die Internetseite der Gemeinde werden spätestens im Herbst erste Zwischenergebnisse vorliegen. Bis dahin dürften auch die meisten Vor-Ort-Beratungen abgeschlossen sein, so dass eine fundierte Beurteilung der Ausdehnung des geplanten Nahwärmenetzes und damit auch des Breitbandausbaus möglich sein wird. „Dann wird auch der Moment der Wahrheit kommen, in dem Sie sich verbindlich äußern müssen, ob Sie anschließen werden oder nicht“ stellte Bürgermeister Reinhold Teufel abschließend fest. Dass das Netz zumindest für den gemeindeeigenen Bedarf gebaut werde, könne dabei als gesichert unterstellt werden. Wie weit es darüber hinaus geht, das werde sich dann zeigen.