Gemeinde beantwortet Fragen der Bürgerinitiativen

Im unlängst in der Gemeinde verteilten Flugblatt der Bürgerinitiativen BI Aichelau, Gegenwind Geisingen und Gegenwind Pfronstetten wurden einige Fragen an die Gemeinde gerichtet, die wir auf diesem Wege gerne beantworten.

Frage 1: Warum will die Gemeinde keine Informationsveranstaltung abhalten, obwohl die letzte Veranstaltung 2017 war?

Es dürfte kaum eine Gemeinde in der Region geben, in der so intensiv und so ausführlich über das Thema Windenergie informiert wurde, wie die Gemeinde Pfronstetten. Beratungen im Gemeinderat wurden bis auf eine vorab kommunizierte Ausnahme (es ging um die Pachtangebote der einzelnen Anbieter – diese Daten sind geschützt) alle Beschlüsse in öffentlicher Sitzung beraten und gefasst. Nachdem in einer weiteren Informationsveranstaltung nichts wesentlich Neues zu sagen gewesen wäre, wurde hierauf verzichtet. Im Übrigen bieten sowohl der Projektentwickler wynkraft/e-wyn wie auch die Bürgerinitiativen noch Informationsveranstaltungen an.

Frage 2: Warum informiert die Verwaltung ihre Bürger nicht umfassend und neutral, obwohl ihre Immobilien 20%-30% an Wert verlieren werden?

Möglicherweise deshalb, weil das gar nicht so ist? Beim befürchteten handelt es sich um eine Behauptung der Bürgerinitiativen, für die keinerlei Belege aufgezeigt werden. Ein Blick in die Region zeigt, dass ein solcher Effekt zumindest bei den schon vorhandenen Anlagen nicht zu erkennen ist.

Beispiel Melchingen: Dort sind die Anlagen zwar nur halb so hoch, wie die aktuell geplanten, sie liegen aber auch nur knapp 470 m von der Wohnbebauung entfernt. Auch 25 Jahre nach Bau der Anlagen erfreuen sich die Immobilien dort großer Beliebtheit, von einem Preisverfall ist nichts bekannt.

Beispiel Veringenstadt: Dort steht seit gut einem Jahr eine Anlage der neueren Generation, weder in Veringenstadt selbst noch in Inneringen, von wo aus die Anlagen gut sichtbar sind, sind solche Effekte bekannt.

Frage 3: Wieso wird verschwiegen, dass Erosion an Rotorblättern tonnenweise Mikroplastik und PFAS Wiesen, Äcker, Wälder, Gärten und Trinkwasser versuchen?

Was verbirgt sich hinter dem Kürzel PFAS? PFAS sind eine Gruppe von Industriechemikalien, die eine sehr große Anzahl von Substanzen umfasst. Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften werden sie seit langer Zeit in vielen Industriebereichen und auch im Haushalt weit verbreitet eingesetzt. Sie kommen in einer Reihe von Konsumgütern zur Anwendung, wie beispielsweise in Farben, Leder- und Textilbeschichtungen, (Outdoor-)Kleidung, Schuhen, Teppichen, Verpackungen, Skiwachs, Boden- und Autopflegemitteln, sowie zur Produktion von Papieren mit schmutz-, fett- und wasserabweisenden Eigenschaften und als Bestandteile von Imprägnier- und Schmiermitteln. Angesichts dieses breiten Anwendungsbereichs dürfte der Anteil von Windenergieanlagen am Gesamteintrag untergeordnet sein, weshalb diese Problematik nicht gesondert dargestellt wurde.

Was den Abrieb von Mikroplastik von Rotorblättern angeht, hat das Das Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) errechnet, dass für alle 31.000 aktuell vorhandenen Windenergieanlagen in Deutschland aktuell von einem Abrieb von rund 1.400 Tonnen pro Jahr auszugehen ist. Im Vergleich dazu werden vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik jährliche Mikroplastik-Abriebwerte von Autoreifen mit 102.090 Tonnen errechnet. Der Abrieb von Schuhsohlen liegt demnach mit 9.047 Tonnen mehr als sechsmal höher als der von Windenergieanlagen. Nachdem in zahlreichen anderen Bereichen ebenfalls Mikroplastik freigesetzt wird, ist der von Windenergieanlagen ausgehende Anteil der Gesamtemission verhältnismäßig gering. Die Universität Wien hat außerdem festgestellt, dass Mikroplastik aufgrund der natürlichen Filterwirkung der Bodenschichten nicht im Grundwasser landet.

Frage 4: Weshalb hält die Gemeinde es nicht für nötig, über den möglichen Bau von 100 Windenergieanlagen in der Gemeinde und angrenzenden Flächen zu informieren?

In der Gemeinde selbst werden nach aktueller Beschlusslage maximal 22 Anlagen errichtet – sechs sind im Bereich Aichelau geplant, 16 im Bereich Staatswald. Falls der Bürgerentscheid im Sinne der Fragestellung positiv entschieden wird, wandern geschätzt vier Anlagen vom Staatswald auf Gemeindeflächen – an der Gesamtzahl von 16 Anlagen in diesem Bereich ändert sich nichts. Welche Anzahl von Anlagen auf „angrenzenden“ Flächen realisiert wird, hängt davon ab, wie man „angrenzend“ definiert. In der Vergangenheit haben Windkraftgegner gerne die bayerische 10-H-Regel (Abstand zwischen Windrad und Wohnsiedlung = zehnfache Höhe der Anlage) als Kriterium für die Verträglichkeit angeführt. Ausgehend hiervon könnte man in deren Sichtweise unterstellen, dass bei einer angenommenen Nabenhöhe von 200 m und einem Rotorradius von 100 m (= 300 m Gesamthöhe) Anlagen die weiter als 3.000 m entfernt sind, keine nennenswerten Auswirkungen mehr entfalten. In einem 3-km-Radius um die Gemeinde werden, dies kann gesichert gesagt werden, definitiv keine 100 Windräder entstehen. Realistisch betrachtet dürften in diesem Bereich zu den geplanten 22 Anlagen im Gemeindegebiet maximal 20 weitere dazukommen.

Frage 5: Warum fordern die umliegenden Gemeinden beim Regionalverband eine Flächenreduzierung, und die Gemeinde Pfronstetten nicht?

Der Gemeinde war es wichtig, sich bei der Ausweisung von Vorranggebieten durch den Regionalverband eine möglichst weitgehende Steuerungsmöglichkeit zu sichern. Deshalb wurden neben den ohnehin gesetzten (da sich bereits im Verfahren befindlichen) Flächen des Staatswaldes und der Holzgerechtigkeit Aichelau in nennenswertem Umfang weitere Flächen gemeldet wurden, die im (Mit-) Eigentum der Gemeinde stehen. Diesen Vorschlag hat der Regionalverband dankend aufgegriffen und auch nur diese Flächen ausgewiesen. Mit dem Effekt, dass ohne Zustimmung der Gemeinde auf diesen zusätzlichen Flächen keine Anlagen errichtet werden können. Andere Gemeinden haben keine oder nur sehr wenige Flächen gemeldet – mit der Folge, dass der Regionalverband nach eigenem Ermessen weitere geeignete Flächen in die Planung miteinbezogen hat, um das Flächenziel insgesamt zu erreichen und alle Kommunen einigermaßen gleichmäßig zu berücksichtigen. Einige dieser Gemeinden wehren sich jetzt gegen diese zusätzlichen Flächen, weil sie auf diesen (meist privaten) Flächen keine Steuerungsmöglichkeit haben. Die Gemeinde Pfronstetten muss schlicht keine Flächenreduzierung fordern, weil sie ohnehin selbst entscheidet, was auf diesen Flächen geschieht.

Frage 6: Warum wird im Gemeinderat diskutiert, dass 16 Windräder zu viel seien, aber es wird nichts dagegen unternommen?

Auf den rund 460 Hektar Staatswald, die das Land Baden-Württemberg zur Projektentwicklung für Windenergieanlagen vergeben hat, wären rechnerisch auch über 20 Windenergieanlagen denkbar. Nach ersten Verhandlungen der Gemeinde mit dem Projektentwickler wynkraft/e-wyn hat sich dieser im Interesse einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Gemeinde bereiterklärt, die Maximalzahl auf 16 zu beschränken. Tatsächlich haben einzelne Mitglieder des Gemeinderats vorgetragen, dass ihnen dies zu viel ist. Eine echte Möglichkeit, die Zahl der Anlagen noch weiter zu reduzieren, hat der Gemeinderat aber tatsächlich nicht. Würde die Gemeinde in eine total ablehnende Haltung übergehen, wäre der Projektentwickler auch an seine freiwillige Beschränkung auf 16 Anlagen nicht mehr gebunden. Dass dann tatsächlich weniger als 16 Anlagen entstehen, wäre eher fraglich.

Frage 7: Wieso ignoriert die Verwaltung, dass Anlagen auf Gemeindegrund näher an die Ortschaften heranrücken?

Sollte der Bürgerentscheid im Sinne der Fragestellung positiv entschieden werden, würden mit dem Projektentwickler die in Frage kommenden Standorte auf Gemeindegrund festgelegt werden. Der Gemeinderat kann dann selbstverständlich Standorte ablehnen, die näher an der Ortslage liegen als der nächste Staatswaldstandort. Insofern wird diese Frage nicht ignoriert, sondern sie hat sich bisher gar nicht gestellt und wird dann auch nicht von der Verwaltung, sondern vom Gemeinderat entschieden.

Frage 8: Reichen die Einnahmen ohne Anlagen auf Gemeindegrund nicht aus?

Die Frage wäre aus Sicht der Gemeinde eher: Weshalb soll die Gemeinde sich weniger Einnahmen zufriedengeben, wenn sie – bei gleicher Situation was Abstände und Landschaftsbild angeht – auch deutlich höhere Einnahmen erzielen kann? Letztendlich repräsentiert die Gemeinde die Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger, und mit mehr Einnahmen kann auch mehr für die Bürgerinnen und Bürger getan werden.

Frage 9: Hat die Gemeinde wirklich ein Insolvenzrisiko in Höhe von 2,4 Millionen Euro?

Dieses Risiko hat die Gemeinde nicht, und die Bürgerinitiativen wissen das auch. In jedem Pachtvertrag ist geregelt, dass der Anlagenbetreiber auch den Rückbau übernimmt. Abgesichert ist dies durch eine Bankbürgschaft, deren Höhe von der Genehmigungsbehörde in ausreichender Höhe festgelegt wird. Nachdem massenbezogen der Großteil dieser Anlagen (Stahl, Beton etc.) wiederverwertet werden kann, sind die tatsächlichen Entsorgungskosten kein wirkliches Problem. Und wenn hier argumentiert wird, dass eine Bankbürgschaft unsicher sein könnte: Wenn das deutsche Bankensystem – das hinter entsprechenden Bürgschaften steht – nicht mehr zahlungsfähig sein sollte, dann sind rückzubauende Windenergieanlage noch das allerkleinste Problem, das unser Land hat!

Frage 10: Droht wirklich ein Wertverlust der Immobilien in der Gemeinde in Höhe von 45 Millionen Euro?

Auf Frage 2 wird verwiesen.

Frage 11: Warum gibt es keine Visualisierungen?

Der Unterschied zwischen 16 Anlagen im Staatswald und beispielsweise zwölf Anlagen im Staatswald und vier Anlagen auf Gemeindegrund macht visuell keinen Unterschied – welchen Erkenntnisgewinn sollten also solche Visualisierungen erbringen?

Frage 12: Ist den Verantwortlichen die Gesundheit der Bürger und die Zerstörung der Natur egal?

Nein, ganz im Gegenteil! Der Klimawandel wird auch bei uns mehr und mehr sichtbar – und auch kaum mehr in Frage gestellt. Inzwischen wird nur noch darüber gestritten, ob dieser Klimawandel nun menschengemacht ist oder nicht. Die Mehrheit der Wissenschaftler wie auch die Mehrheit der Menschen im Land geht davon aus, dass hier durch den Ausbau der erneuerbaren Energien gegengesteuert werden kann und dass dieser Natur und Gesundheit letztlich schützt.

Frage 13: Ist es richtig, dass der Bürgermeister Bedenken bezüglich der Auswirkungen von Windenergieanlagen mit den Auswirkungen von Alkohol und Nikotin vergleicht?

Dieser Punkt wurde in der Anhörung der Bürgerinitiativen im Gemeinderat angesprochen. Die Frage war, warum der Staat trotz der Befürchtungen der Windkraftgegner, dass von Windenergieanlagen schädliche Auswirkungen ausgehen könnten, solche Anlagen zulässt. Dem wurde entgegnet, dass der Staat sogar Handlungen zulässt, von denen erwiesen ist, dass sie schädliche Auswirkungen haben – beispielsweise das Rauchen und der Alkoholkonsum. Und zumindest das Problem des Passivrauchens widerspricht dem, dass jeder selbst entscheiden kann, ob er sich diesen Auswirkungen aussetzt oder nicht. Zu ergänzen wäre, dass von den oftmals als bessere Form der Energieerzeugung propagierten Kernkraft ebenfalls erwiesenermaßen Gesundheitsgefahren ausgehen, beispielsweise ein deutlich höheres Krebsrisiko im Umfeld solcher Anlagen.

Frage 14: Ist unsere Gesundheit weniger wert als die der Franzosen?

Berichtet wird, dass Frankreich sämtliche bestehenden Genehmigungen für Windenergieanlagen aufgrund unzulässiger Lärmbelastung annulliert habe. Dies ist nur zum Teil richtig. Zutreffend ist, dass bevor neue Anlagen genehmigt werden können, neue Protokolle zur Einstufung der akustischen Belästigung definiert werden müssen. Solche „Protokolle“ gibt es bei uns In Gestalt des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der TA Lärm bereits. Frankreich setzt bisher sehr stark auf Atomkraft, beim in Bau befindlichen neuen Reaktor Flamanville 3 sind die Kosten von den ursprünglich geplanten 3,4 Milliarden inzwischen auf 12,7 Milliarden Euro gestiegen. Der französische Rechnungshof schätzt die Gesamtkosten des Projekts mittlerweile sogar auf mehr als 19 Milliarden Euro. Dies ist mit ein Grund dafür, dass Frankreich die Energieerzeugung aus Wind bis 2035 mehr als verdoppeln möchte. Ob die Atomkraft der Gesundheit der Menschen zuträglicher ist als die Windenergie darf jedenfalls mit Blick auf die Faktenlage – siehe Frage 12 – bezweifelt werden.

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