Die Gemeinde möchte prüfen, ob zunächst im Ortsteil Pfronstetten, bei entsprechender Nachfrage aber auch in den anderen Ortsteilen, ein kommunales Nahwärmenetz Sinn machen würde. In einer Sondersitzung am 22.01.2020 befasst sich der Gemeinderat ausschließlich mit diesem Thema.
Das Thema Klimaschutz ist im Moment in aller Munde. Mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Klimaschutzprogramm 2030 hat nun auch die Bundesregierung konkrete Maßnahmen ergriffen, die in vielen Lebensbereichen Auswirkungen haben werden.
Von besonderer Bedeutung ist dabei der Einstieg in eine CO2-Bepreisung. Die Bundesregierung wird ab 2021 eine CO2-Bepreisung für die Bereiche Wärme und Verkehr einführen. Über einen nationalen CO2-Emissionshandel erhält der Ausstoß von Treibhausgasen beim Heizen und Autofahren einen Preis. Bundestag und Bundesrat haben der Einführung eines nationalen Zertifikatehandels für Brennstoffemissionen zugestimmt.
In der öffentlichen Diskussion über die viel zitierte Energiewende steht meist die Stromerzeugung im Mittelpunkt, Anlagen zur Stromerzeugung aus Wind und Sonne finden dabei nicht überall positiven Anklang. In dieser Diskussion wird oftmals übersehen, dass gut zwei Drittel des Endenergieverbrauchs privater Haushalte auf die Wärmeerzeugung entfällt. Gleichzeitig wurden 2017 nur 12,8% dieser Wärmeenergie aus regenerativen Quellen erzeugt. Hier könnte also mit überschaubarem Aufwand, mit erprobter Technik und ohne größere Akzeptanzprobleme bei der örtlichen Bevölkerung viel für die notwendige und erwünschte Energiewende getan werden. Hinzu kommt: Unternehmen, die mit Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel handeln, müssen ab 2021 dafür einen CO2-Preis bezahlen. Sie werden verpflichtet, für den Treibhausgas-Ausstoß, den ihre Produkte verursachen, Verschmutzungsrechte in Form von Zertifikaten zu erwerben. Das geschieht über den neuen nationalen Emissionshandel. Dieser CO2-Preis soll klimaschädliches Heizen in Zukunft teurer machen und Anreize setzen, auf klimaschonende Technologien umzusteigen und erneuerbare Energie zu nutzen.
Bis zum Jahr 2026 soll dieser CO2-Preis nach heutiger Planung auf 55-65 € je Tonne CO2 erhöht werden. Der Preis für den Liter Heizöl wird allein schon deshalb um 10 bis 20 Cent je Liter ansteigen. Wie sich die aktuelle politische Lage im Nahen Osten auf die Ölpreise auswirkt ist noch nicht ganz klar, aber auch hier ist ein erhebliches Preisrisiko gegeben.
Auch diese Entwicklung spricht dafür, sich verstärkt Gedanken über die Form der Wärmeerzeugung im Gebäudebereich zu machen bzw. Alternativen zu prüfen.
Die Gemeinde unterhält im östlichen Siedlungsbereich des Ortsteils Pfronstetten mit dem Kindergarten „Maria Königin“, der Wunderbuch-Grundschule und der Albhalle drei größere Gebäude. Die Wärmeerzeugung erfolgt bisher ausschließlich über dezentrale Ölheizungen, die teilweise stark veraltet sind. Durchschnittlich werden für diese Gebäude jährlich ca. 20.000 Liter Heizöl benötigt. Aus diesem Grund befasst sich die Gemeindeverwaltung schon seit längerer Zeit mit der Frage, wie eine zukünftige Wärmeversorgung erfolgen kann, die sowohl ökonomischen wie auch ökologischen Ansprüchen gerecht wird. Im Vorgriff auf die Schaffung einer zentralen Wärmeerzeugung wurde im Rahmen einer anderen Baumaßnahme bereits eine Nahwärmeleitung zwischen Albhalle und Wunderbuch-Grundschule verlegt, im Zuge der für die Kindergartenerweiterung notwendigen Verlegung eines Abwasserkanals kann auch der Kindergarten an dieses Netz angeschlossen werden. Vor kurzem wurde nun das ehemalige Gasthaus „Rose“ durch die Gemeinde erworben. Vorgesehen ist, den vorhandenen Saal wieder für öffentliche und private Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen, eine Verkaufsstelle für Produkte der Nahversorgung einzurichten und die vorhandenen Gästezimmer als solche weiter zu betreiben oder diese zusammen mit der vorhandenen Pächterwohnung in Wohnflächen umzuwandeln. Für dieses Gebäude werden jährlich rund 10.000 Liter Heizöl benötigt.
Zwischen Albhalle und Gasthaus Rose liegen Luftlinie nur ca. 80 m. Angesichts des gegebenen Wärmebedarfs wäre eine zentrale Wärmeversorgung über ein entsprechendes Nahwärmenetz allein für die genannten Liegenschaften voraussichtlich bereits wirtschaftlich.
Gleichwohl wäre es ökonomisch wie auch ökologisch sinnvoll, weitere Gebäude an ein solches Nahwärmenetz anzubinden, sofern dies von den Gebäudeeigentümern gewünscht wird. Ein entsprechend weitergefasstes Nahwärmenetz muss sich dabei nicht auf den Bereich Schule / Kindergarten Albhalle / Rose beschränken. Die räumlichen Grenzen der ersten Ausbaustufe würden sich vielmehr am Interesse der Grundstückseigentümer im Ortsteil Pfronstetten insgesamt orientieren.
Die Ortslage Pfronstetten ist relativ kompakt, sämtliche Wohngebäude liegen innerhalb eines Radius von 800 m um die geplante Heizzentrale bei der Albhalle. Sollten genügend Anschlussnehmer gefunden werden, könnte ein Nahwärmenetz deshalb durchaus auf die gesamte Ortslage ausgedehnt werden – eventuell auch in mehreren Bauabschnitten.
Aktuell entstehen vielerorts Nahwärmenetze. Diese werden entweder von kommunalen Stadtwerken, gewerblichen Anbietern oder aber von den Nutzern getragenen Genossenschaften projektiert und gebaut.
Genossenschaftliche Nahwärmenetze haben den Vorteil, dass in der Kalkulation keinerlei Renditeerwartungen enthalten sind, weshalb diese Netze im Regelfall auch die für den Anschlussnehmer günstigsten Netze darstellen. Aus diesem Grund wäre die Gemeindeverwaltung einer solchen Lösung gegenüber sehr aufgeschlossen.
Nachteilig bei der Genossenschaftslösung ist allerdings, dass die Anschlussnehmer eigenes Geld investieren müssen. Unter Anderem in Aichelau konnte ein solches Netz vor einigen Jahren insbesondere deshalb nicht errichtet werden, weil der notwendige unternehmerische „Mut“ der potenziellen Anschlussnehmer letztendlich nicht gegeben war.
Aus Sicht der Gemeindeverwaltung wäre es möglich, dass die Gemeinde selbst aktiv wird und ein solches Nahwärmenetz etabliert. Hier könnte eine moderate Verzinsung des eingesetzten Kapitals vorgesehen werden, so dass eine solche Lösung für die Abnehmer von den Kosten her ähnlich interessant wie eine Genossenschaftslösung wäre.
Langjährige Erfahrungen mit Nahwärmenetzen gibt es in Aichelau und Tigerfeld, wo teilweise schon seit Jahrzehnten die in den dort vorhandenen Biogasanlagen anfallende Wärme zu Heizzwecken verwertet wird. Die dortigen Nahwärmenetze sind auf private Initiative hin entstanden und funktionieren dem Vernehmen nach reibungslos.
Bei entsprechender Nachfrage aus den anderen Ortsteilen ist es grundsätzlich denkbar, dass die Gemeinde auch dort entsprechende Nahwärmenetze einrichtet. Dort, wo keine Biogasanlagen vorhanden sind, müssten alternative Anlagen zur Wärmeerzeugung geprüft werden. Hier wäre zuvorderst an zentrale Holzhackschnitzelheizanlagen zu denken. Solche Anlagen können nicht nur Brennholz effizienter in Wärme umwandeln als viele einzelne Holzheizungen, sie sind auch von der Abgasreinigung her deutlich besser.
Erster Schritt in Richtung einer Projektierung eines Nahwärmenetzes wären eine konkrete Bedarfserhebung und die Prüfung möglicher Fördermittel. Bereits diese Vorarbeiten werden vom Land gefördert, so dass voraussichtlich nur 40% der hierfür entstehenden Kosten letztendlich bei der Gemeinde verbleiben würden.
Um den Gemeinderat und die Öffentlichkeit in dieses Thema insgesamt einzuführen, hat die Gemeindeverwaltung Herrn Jörg Dürr-Pucher vom Beratungs- und Beteiligungsunternehmen Clean Energy (www.clean-energy.biz) und Herrn Herrn Abrahim Dold von der Klimaschutzagentur des Landkreises Reutlingen (www.klimaschutzagentur-reutlingen.de) zur Sitzung eingeladen. Die Entscheidung über einen Einstieg in dieses Projekt müsste dann im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2020 erfolgen.