Bürgerinitiativen plädieren für Windkraft-Verweigerung

Stellt die Gemeinden eigene Flächen zur Verfügung oder nicht – so oder so werden es vermutlich 16 Anlagen in Pfronstetten und sechs in Aichelau sein, Der Unterschied ist auf dem Luftbild nur bei sehr genauem Hinschauen erkennbar und dürfte dann auch in der Realität kaum wahrnehmbar sein.

Voraussichtlich in der Dezember-Sitzung wird der Gemeinderat darüber entscheiden, ob die Gemeinde auch eigene Flächen für Windenergieanlagen zur Verfügung stellt. Vorher wurde den örtlichen Bürgerinitiativen gegen Windenergie die Möglichkeit eingeräumt, ihre Sicht der Dinge darzustellen.

Bürgermeister Reinhold Teufel ging eingangs auf die lange Historie der Windkraftdiskussionen in der Gemeinde ein. Die erste Bürgerversammlung hierzu war 2012, seither wurde bei vielen Anlässen und mit unterschiedlichen Formaten informiert. Die Gemeinde unterstützte im Jahr 2016 auch aktiv die Gründung der Pfronstetter Bürgerinitiative „Gegenwind“, um mit den Menschen vor Ort in den Dialog eintreten zu können, die dieser Sache kritisch gegenüberstehen. Er freute sich, dass es in der Sache zwar durchaus unterschiedliche Ansichten gebe, der Umgang miteinander aber immer von Respekt und Offenheit geprägt war.

Dies sei auch der Grund dafür gewesen, vor der voraussichtlich abschließenden Entscheidung in dieser Frage den inzwischen drei örtlichen Bürgerinitiativen Gelegenheit zu geben, vor dem Gemeinderat zu sprechen.

Thomas Wagner von der Bürgerinitiative Pfronstetten ging auf die befürchteten nachteiligen Auswirkungen ein. Er berichtete von Erfahrungen von Anwohnern der Anlagen bei Pfullendorf und bezeichnete die an die Standortgemeinden zu bezahlende Beteiligung nach § 6 EEG als Entschädigungszahlung für die hinzunehmenden Gesundheitsgefahren. ER kritisierte zudem, dass die Gemeinde gegenüber dem Regionalverband deutlich mehr als 1,8% der Markungsfläche als potenzielle Wind-Vorrangflächen gemeldet habe und bezog sich auf Zitate aus der letzten Gemeinderatssitzung, in der auch im Gremium die Zahl der geplanten Anlagen als nicht akzeptabel bezeichnet wurden.

Bürgermeister Reinhold Teufel bezweifelte nicht, dass es Menschen gibt, die sensibel auf solche Anlagen reagieren. Hier müsse aber gesehen werden, dass es wohl keine Energieerzeugung ohne solche Auswirkungen gibt. Mit dem Weiterbetrieb von Kernkraftwerken würde billigend in Kauf genommen, dass im 5-km Nahbereich von Atomkraftwerken in Deutschland bei Kleinkindern die Krebsrate um 60 Prozent höher und die Leukämierate beim Doppelten liegt. Ähnliche Erkenntnisse gibt es bei Lungenerkrankungen im Umfeld von Kohlekraftwerken, das wäre das St.-Florians-Prinzip in Reinkultur. Die kritisierte Beteiligung der Standortgemeinden über den § 6 EEG sei auch keine Entschädigung für Gesundheitsgefahren, sondern ein lange geforderter, aber nicht unumstrittener Ausgleich für die sich zweifellos ergebenden Veränderungen im Landschaftsbild. Kritik hieran käme vor allem aus dem urbanen Bereich, wo Beeinträchtigungen durch Flughäfen und Verkehrsakten hingenommen werden müssen, die auch von den Bewohnern der Alb genutzt werden. Teufel wies außerdem darauf hin, dass sich die Zitate aus der letzten Sitzung vor allem auf den Standortvorschlag eines Projektentwicklers bezogen, der zu den ohnehin nicht zu vermeidenden 16 Standorten acht bis zehn weitere Anlagen vorschlägt. Die angesprochene, recht großzügige Flächenanmeldung für den Regionalplan hatte ihren Grund: Es wäre illusorisch gewesen, dass auf einer Gemarkung mit riesigen Potenzialflächen nur 1,8% ausgewiesen werde, viele andere Gemeinden können aus rechtlichen Gründen überhaupt nicht berücksichtigt werden. Um das 1,8%-Flächenziel zu erreichen, hätte der Regionalverband dann zusätzliche Flächen bestimmt, wie es in anderen Gemeinden durchaus zu sehen sein wird. Ziel der Gemeinde war es, ausreichend Flächen aus dem eigenen Einflussbereich zu melden, über deren Nutzung dann schließlich der Gemeinderat entscheiden kann – und eben nicht eine kleine Gruppe von Grundstückseigentümer. Wäre das 1,8%-Flächenziel verfehlt worden, hätte dies fatale Folgen gehabt: Dann hätte die sogenannte „Superprivilegierung“ gegriffen, und Windenergieanlagen wären grundsätzlich auch im nächsten Umfeld der Wohnbebauung denkbar gewesen.

Bernd Treß von der Bürgerinitiative aus Aichelau kritisierte, dass der Gemeinderat dem Pachtvertrag für die Flächen der Holzgerechtigkeit zugestimmt habe, ohne die Vertragsdetails zu kennen – was aber tatsächlich nichtzutreffend ist. Der Gemeinderat hat sich sehr wohl in nichtöffentlicher Sitzung mit dem Vertragswerk befasst. Weiter wurde die Befürchtung geäußert, dass die Gemeinde das Projekt unterstütze, obwohl einige Miteigentümer der Holzgerechtigkeit noch nicht gefragt wurden und das Erreichen der notwendigen Mehrheit von 75% der Köpfe angezweifelt wird. Bürgermeister berichtete, dass auch die Gemeinde bei der EnBW beanstandet habe, dass die kritisch eingestellten Miteigentümer der Holzgerechtigkeit bisher nicht konkret angesprochen wurden. Er bekräftigte die Zusage, dass die bisher nicht erfolgte Unterschrift der Gemeinde nur dann auf den Vertrag kommt, wenn die Mehrheit auch ohne die Gemeinde erreicht ist.

Christoph Auchter von der Bürgerinitiative Geisingen verwies auf den – dem stimmte der Bürgermeister zu – schleppenden Netzausbau. Dieser mache es schlicht unmöglich, die im Gemeindegebiet geplanten Anlagen auch ans Netz zu nehmen. Dem widersprach Reinhold Teufel insoweit, dass für die sechs Anlagen in Aichelau bereits eine Anschlusszusage des Netzbetreibers vorliege.

Stefan Kloker zeigte mit einem Plastikkanister und einer Kerze, dass gepulster Luftstrom auch in einiger Entfernung unsichtbare Auswirkungen haben kann. Ob sich dieses im windstillen Sitzungssaal durchgeführte Experiment auf die bei arbeitenden Windrädern sicherlich nicht windstille Landschaft 1:1 übertragen lässt, blieb dabei offen.

In der anschließenden Diskussion zeigte sich eine gewisse Zerrissenheit im Gremium: Die vorgebrachten Bedenken wurden ebenso ernst genommen wie der nüchterne Fakt, dass der Staat auf seinen eigenen Flächen alle erforderlichen Möglichkeiten hat, dort Anlagen zu errichten. Denkbar wären dort auch durchaus mehr als 16 Anlagen, der vom Staat ausgewählte Projektentwickler wynkraft war aber nach den ersten Gesprächen bereit, sich auf 16 Anlagen zu beschränken, von denen auch vier auf Gemeindegrundstücken errichtet werden könnten. Die Gesamtzahl der Anlagen bliebe also unverändert. Die Gemeinde würde bei einer Ablehnung des Angebots auf mindestens 10 Millionen Euro in den nächsten 20 Jahren verzichten – was von (anderen) Teilen der Bevölkerung vermutlich ebenso heftig kritisiert werde. Schließlich könnten mit diesen Mitteln viele Projekte realisiert werden, die der gesamten Bevölkerung zu Gute kämen. Zudem wäre der Projektentwickler dann an seine Zusage nicht mehr gebunden, maximal 16 Anlagen zu realisieren.

Thomas Wagner von der Bürgerinitiative hat die Hoffnung, dass bei einer Verweigerung der Gemeindeflächen vielleicht – aus welchen Gründen auch immer – nicht alle 16 Anlagen realisiert werden könnten. Bürgermeister hielt diesen Wunsch zwar für nachvollziehbar, angesichts der auf der sehr großen Staatswaldfläche aber für eher unrealistisch. Hinzu käme, dass der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben ein paar hundert Meter westlich auch Standorte ausweist. Dort dürfte also auch mit Anlagen zu rechnen sein, die – das zeigt das Windrad in Veringenstadt – auf jeden Fall auch sichtbar sein werden.

Deutlich wurde, dass es vermutlich keine Mehrheit dafür geben wird, mehr als die aktuell im Raum stehenden sechs Anlagen in Aichelau und 16 Anlagen in Pfronstetten zu ermöglichen. Gemeinderat Karlheinz Schultes verglich die Entscheidung mit der Wahl zwischen Pest und Cholera, wobei Bürgermeister Reinhold Teufel diesen Vergleich auf „Pest mit Geld oder Cholera ohne“ präzisierte.

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